Erinnerungsballade

Als dereinst in warmen Abendstunden
Ich vom Hügel in die Ferne sah,
Lag, in stillem heißem Weh’ empfunden,
Alle Weite unerreichbar da.

Wie mein Herz zu’m Horizont mich drängte,
Hinter dem das Glück mit heimlich schien!
Ach, was mir die Brust so sehr bezwängte,
War, dass ich nicht konnte fernwärts zieh’n!

Denn ich hatt’ am Orte knapp zu harren,
An den Pflock des Schuldalltag’s gebannt;
Und so wurden peinigende Schnarren
Von Gefängnis stets mir zugewandt. --

Doch so warm war ’s und so wunderträumig,
Als das tiefe Himmelsblau verging,
Wie die Sterne glänzten, als ich säumig
Trauernd in gar schwer’n Gedanken hing!

So viel Schönheit um mich her verboten!
So viel Mühe um mich hin Gesetz!
Alle Welt ward lebenslos geschroten,
Und gemeißelt ‘s Herz vom Steinemetz!

Was jedoch hätt’ damals ich gewonnen,
Wenn die Flucht vom Orte möglich wär’?
Unerfülltheit, wäre sie zerronnen?
Hätt’ sich so gegeben Freiheit her?

O gewiss, dort gäb’ es schöne Stätten,
Palmenstrände, herztiefblaues Meer,
Doch ob so gefunden denn sie hätten
Ew’ge Geistesarten minder schwer?

Nichts wird heil durch Ortsveränderungen!
Fürder schleppst, was hart Du nicht vergibst.
Freiheit nicht durch’s Reisen wird errungen,
Weil im Geistgefängnisse Du bliebst.

Also waren all die schönen Bilder
Jener Ferne, der erträumten Welt,
Sämtlich wesenlos’ Bezeichnungsschilder,
Hohlsymbole ohn’ Erlösungsgelt’!

Als jedoch ich einst in allen ihnen
Sehnlich träumte -ach!- so aussichtslos,
War es dennoch gut, dass sie mir schienen,
Denn sie legten mir doch bildlich bloß,

Dass ich noch nicht fand den Liebesfrieden,
Unschuld nicht, Vergebung nicht noch Kraft,
Und dass aller Bruderzwist hienieden
Heil nicht wird durch Straf’ und Arbeitshaft!

Abendstunde war Symbol für’s Lösen
Aller bitt’ren Weltverbundenheit;
Wärme war für Liebe, und des Bösen
Zeichen war die Kälte weit und breit.

Und der Traum vom holden Fernereisen
Für den Weg des Weltvergebens stand,
Wie es Schritt vor Schritt wollt’ gnädig weisen,
Wie sich löst durch es der Schulden Band,

Das symbolisch war als Form des Pflockes,
Daran alle Tage eng gefasst,
Die Du geldlos arm mit Sündenbockes
Pflicht und Arbeit zu durchleisten hast!

Geld denn ist es, dass sie alle wollen;
Wehe, wenn Du wenig dessen hast!
Dann sie treiben gnadenlos in tollen
Kniffen Dich zu harter Schaffenslast!

Doch die Münzen auch Symbol nur waren,
Wie das Mühen um sie, und der Groll,
Dies zu müssen in den langen Jahren,
Müh’ zu schuften für den Götzenzoll!

Geld zu haben, hieß’: getilgte Schulden
Und die stolze Freikaufsmöglichkeit:
Jeder Schuldturm öffnet sich mit Gulden; --
Unbedacht doch bleibt das End der Zeit.

Und die Mühe steht für’s Fegefeuer,
Abzuwaschen allen Schadenswahn,
Und der Müssensgroll ist ungeheuer;
Kaum zu tragen ist’s auf harter Bahn. --

Kein Symbol jedoch hat eig’nes Wesen;
Jedes steht für was und ist Ersatz.
Lasse ich den Geist darhinter lesen,
öffnet er mir sanft den wahren Schatz:

Allgemeinsam mögen wir hier finden
Geistesklarheit: nicht ist wirklich Schuld!
All Symboldrang führet uns zu Gründen,
Wo die Wahrheit wohnt und Gnadenhuld.

Die Vergangenheit ist nur: vergangen!
Und die Zukunft kommt: nur jetzt uns zu!
Was die Gegenwart so lang verhangen,
Durch Vergebung schmilzt darhin im Nu.

Also lass die alte Trauer fahren,
Denn vorbei ist längst, was niemals war;
Und auch sie: Symbol nur in den Jahren,
Als der Geistverbund nicht klar.

Also lege nieder alle hohlen Zeichen;
Wahrheit wahrlich wohnt nicht in Gestalt.
Alle Form Du lass‘ dem Inhalt weichen,
So wirst heil Du Wahrheit finden bald. --

Als dereinst in warmen Abendstunden
Ich vom Hügel in die Ferne sah,
Hatt’ die Wahrschau ich noch nicht gefunden,
Traumsymbole schienen einzig da.

Wie mein Herz zu’m Horizont mich drängte... --
War’s nicht schön, dass ich so warm empfand?
Es war Glück, dass mir die Brust bezwängte!
Froh bin nun ich, denn all’ ist erkannt!







  

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